Sehen wir aktuell auf den Kalender, so stellen wir schnell fest, dass wir uns zeitlich gesehen, ziemlich genau zwischen zwei der bedeutsamsten christlichen Hochfeste bewegen.
Man könnte also im Rückblick auf das vergangene Osterfest und im Hinblick auf das sich ankündigende Pfingstfest sagen, dass wir uns in der Halbzeit befinden.
Nun ist der Begriff „Halbzeit“ sicher nicht theologischen Ursprungs, noch in sonst einer Weise biblisch abzuleiten.
Vielmehr denken die meisten von uns hierbei zu recht an den Fußball, die zwei Mal 45 Minuten Spielzeit mit der entsprechenden Halbzeit und Pause dazwischen.
Zwischen Ostern und Pfingsten
Die Zeit, in welcher die Spieler während eines Turniers vom Feld in die Kabine gehen, dorthin wo Trainer und Betreuer sie begleiten, um sich zu regenerieren, sich auf die zweite Spielhälfte vorzubereiten, sich neuerlich zu positionieren, vor allem jedoch um sich gemeinsam zu motivieren.
Nun, sicher mag manch einer sagen, dass alles sei sportlich gesehen grundsätzlich richtig, habe jedoch eher weniger mit Ostern, dem Fest der Auferstehung Jesu, noch mit dem 50 Tage danach liegenden Fest der Niederkunft des Heiligen Geistes auf die Jünger, also mit dem Pfingstfest zu tun. Mag der Vergleich mit der Halbzeit hier also doch zu weit hergeholt erscheinen?
Nein, ganz und gar nicht! Ganz ähnlich wie in der Halbzeit beim Fußball, bei welcher sich die Mannschaft für den kommenden Spielteil vorbereitet, dabei das Erlebte aus der ersten Hälfte reflektiert und in die Vorüberlegungen für den kommenden Spielverlauf miteinfließen lässt, so sind auch wir Christen gerade in dieser Zeit, den Tagen zwischen Ostern und Pfingsten angehalten uns neu zu rüsten, uns unseres Christseins und unserer Aufgabe in der Familie, Gemeinde und Gesellschaft gewahr zu werden, diese zu überdenken und kraftvoll zu erneuern.
Heute wie vor 2000 Jahren
Wie einst die Apostel und Jünger vor rund 2000 Jahren, so sind auch wir hier und heute angehalten, die Erneuerung unseres Glaubens, das Licht der Auferstehung unseres Herrn Jesus Christus, welches wir nach der Besinnungszeit der Kartage, zu Ostern empfangen haben, jetzt ganz besonders in uns wirken zu lassen.
In diesen Tagen also, die wir durchaus als Halbzeit, damit als Erneuerungs- und Vorbereitungszeit im Hinblick auf das bevorstehende Pfingstfest ansehen können, ist auch Zeit, um uns mit unserer eigenen Nachfolge, unserer Jüngerschaft und den uns zur Erbauung der ganzen Gemeinschaft geschenkten Gaben auseinanderzusetzen.
Mehr noch, wir sind berufen, diese Gaben und Talente im Rahmen unserer Möglichkeiten zu erneuern und auszubauen. Besinnen wir uns in diesem Zusammenhang auf die Worte Jesu:
Ihr seid das Salz der Erde. Wenn das Salz seinen Geschmack verliert, womit kann man es wieder salzig machen? Es taugt nichts mehr; es wird weggeworfen und von den Leuten zertreten. (Mt. 5,13)
So ist es mit uns, mit unserem Christsein, unserer ganz persönlichen Jüngerschaft.
Als die Freunde Jesu, mehr noch, seine Nachfolger, die er mit Salz, einem der damals wie heute wichtigsten Rohstoffe vergleicht, seiner Art nach weiß, rein und fein, zugleich kraftvoll und wandelbar, dürfen wir eben nicht schal, kraft- und geschmacklos, also nicht unbrauchbar im Sinne unserer Jüngerschaft werden. Schon gar nicht unsere Begabungen brach liegen lassen oder verkümmern lassen.
Weiter spricht Jesus:
Ihr seid das Licht der Welt. Eine Stadt die auf einem Berg liegt, kann nicht verborgen bleiben. Man zündet auch nicht ein Licht an und stülpt ein Gefäß darüber, sondern man stellt es auf einen Leuchter; dann leuchtet es allen im Haus. So soll euer Licht vor den Menschen leuchten, damit sie eure guten Werke sehen und euren Vater im Himmel preisen. (Mt. 5,14-16)
Wir werden nochmals eindringlich von Christus ermutigt, die uns geschenkten Gaben leuchten zu lassen, also diese einzusetzen und auszubauen, nicht um unserer eignen Rechtfertigung oder Anerkennung wegen, sondern vielmehr für das ganze Haus, also den ganzen Leib Christi – seine Kirche, die Gesellschaft, alle Menschen und die ganze Schöpfung.
Lassen wir uns also in froher Erwartung des Pfingstfestes, in diesen Tagen durch den Heiligen Geist neu erleuchten. Nutzen wir diese Halb- und Vorbereitungszeit, um uns mit unseren gelebten Charismen und Talenten sinnvoll auseinanderzusetzen, deren Nutzen für unsere Nächsten zu überdenken und um uns für die vor uns liegenden Aufgaben vorzubereiten.
Das Beispiel der Apostel und Jünger
Wie wir den Überlieferungen der Apostelgeschichte entnehmen können, versammelten sich die Apostel und Jünger am Pfingsttag gemeinsam in einem Haus in Jerusalem. Wir können davon ausgehen, dass sie, wie üblich bei den Zusammenkünften, gemeinsam beteten, während sie von den ergreifenden Ereignissen überrascht wurden und der Heilige Geist mit einem Brausen, gleich einem heftigen Sturm und Flammen über ihren Häuptern herniederkam.
Die Jerusalemer Pfingstgemeinde traf sich gemeinsam, abseits von allem Alltagstrubel und den üblichen Beschäftigungen. Sie nahmen sich also Zeit, um sich zusammenzufinden, um miteinander zu beten, Andacht zu halten. Sie nahmen sich Zeit für die gemeinsame Begegnung und schenkten einander und Gott ihre Aufmerksamkeit.
Im Gebet, dem gesprochenen aber auch dem stillen, können Geist und Körper zur Ruhe finden, die Seele kann sich umso mehr entfalten, aufatmen und ungeahnte Kräfte freisetzen. Wir können uns ganz in die Hände Gottes fallen lassen und uns für den Heiligen Geist öffnen.
Wer könnte uns ein besseres Beispiel geben für unsere Halbzeit in Erwartung des Pfingstfestes, als die Apostel und ersten Jünger?
Die Zusammenkunft in der Gemeinde, das Gebet, das sich öffnen füreinander, für Gott und dessen Kraft möge auch uns im Lichte Christi erleuchten. Es möge uns stärken und aufrichten, im Glauben erneuern, vor allem jedoch anspornen unser Leben, unser Wirken und all die uns geschenkten Charismen und Talente mutig, friedlich und zum Wohle der Gemeinschaft und der ganzen Schöpfung einzusetzen.
Amen.
Pastor Martin Weiher-Wolter